Cornelia Vossen Kultur, Medien, Kommunikation im Raum

Medien „Harry Graf Kessler“

Aufgabenstellung

Wie bringt man die Zitate aus 15.000 Seiten Kessler-Tagebüchern in den Raum? Wie wird man der Fülle seiner Menschenbeschreibungen in einer Ausstellung gerecht? Wie dockt man Denken und Handeln des 1868 Geborenen an die Gegenwart an? Wir entschieden uns für mediale Lösungen

Medienbespielung Leitmotiv "Schönheit und Vollkommenheit"
Interaktives Exponat im "Menschensammler"-Raum
Interviewfilm "Kessler heute"

Umsetzung

Mithilfe medialer Inszenierungen im Raum begibt sich die Ausstellung direkt in den Text der Tagebücher – und damit in Kesslers Kopf. Vier Leitmotive schlagen eine Schneise durch die Tagebücher: Aus ihren „Gehirnkammern“ (Tilmann Krause) kann der Besucher – akustisch abgeschirmt und geführt durch kurze Kopftexte – dem Kaleidoskop aus Worten und Bildern folgen, das für Kesslers Tagebücher so charakteristisch ist. Die Ton-Bild-Collagen entwerfen ein assoziatives Bild von Kessler, ohne ihn auf eine Deutung festzulegen. Wer ihren Perspektiven folgt, versteht einmal mehr, warum Kessler in der von ihm gegründeten Cranach-Presse zum Verleger hochbibliophiler Bücher wurde – dem zweiten großen Hauptwerk neben seinen Tagebüchern. In ihnen ließ er das Haptische und das Geistige zu einem „Gesamtkunstwerk für alle Sinne“ verschmelzen.

Nicht weniger als 12.000 Menschen verzeichnen Kesslers Tagebücher – sie waren Teil seines exzessiven Gesellschaftslebens. Im interaktiven „Menschensammler“-Raum erhält der Besucher die Möglichkeit, aus einer Fülle von Menschenbeschreibungen, Anekdoten und Berlin-Geschichten auszuwählen – und sich so sein eigenes Bild von Kesslers teilweise ins Bissige gesteigerten Beobachtungsgabe zu machen.

Der Film „KESSLER HEUTE - Warum uns Kessler wieder fasziniert“ schließlich rückt Kessler in die Gegenwart. Hier kommen namhafte Kessler-Leser, -Fans und -Kenner zu Wort, die den Besucher entdecken lassen, dass viele von Kesslers damaligen Fragen auch heute noch aktuell sind.

Aus der Rezension der „Welt“ (Tilmann Krause, 22.05.2016):
„Es macht den großen Vorzug dieser Ausstellung aus, dass sie Kesslers Gedanken zur Erlösung des modernen Menschen durch die Kunst zum ersten Mal wirklich ernst nimmt und bis in die feinsten Verästelungen [...] verfolgt. Dazu blickt sie ganz direkt und ausdrücklich in Kesslers Kopf: Anhand von vier höhlenartigen Gehirnkammern lässt sie Kesslers Ideen von Schönheit, Eros, Krieg als traumatischem Erlebnis sowie einer Moderne, die sich als Zivilisierungsinstrument versteht, akustisch und bildhaft Gestalt annehmen. Da leuchtet dann auf einmal ein alles überwölbender farbiger Bogen von den alten Griechen bis zu den Nudisten der Jugendbewegung auf. Der menschliche Körper wird als Zentrum der Kunst gefeiert. Die sexuelle Energie als Grundlage aller Schönheitsempfindung herauspräpariert. Kessler, ein Kind seiner Zeit? Nein, als Kind aller Zeiten ...“

Aus der Rezension der "FAZ" (Andreas Kilb, 10.06.2016):
„Die wahre Entdeckung der Ausstellung wartet im ersten Stock. Hier hat der Kurator Christoph Stölzl die Tagebücher nicht nur in einer Art profanem Altarraum zu Dutzenden aufgeblättert, sondern tatsächlich zum Sprechen gebracht. [...] Die Berliner Schau setzt den Standard, an dem sie [künftige Kessler-Ausstellungen] sich messen müssen.“

Auftraggeber

Stiftung Brandenburger Tor, Berlin 2016
© Bilder/ Filme: Stiftung Brandenburger Tor